Pakete am Gehsteig: Wie die Österreichische Post AG Diebstahl ermöglicht - und Recherchen bremst.
Salzburg, um den Jahreswechsel. Gerade umgezogen fielen schnell schwarze Taschen auf, die ständig an der Schwelle der Haustür "parkten". Wem die wohl gehören?
Gesichert waren sie nicht. Logo war keines ersichtlich, Herumstöbern unangebracht. Wahrscheinlich sind es Warmhalteboxen für Essen auf Rädern, so der Gedanke.
Doch weit gefehlt.
Als der Briefträger eines Tages irritiert fragte, ob ein Paket schon selber aus der schwarzen Tasche entnommen wurde, war klar: Hier handelt es sich um Depots für Werbung, Briefe und offenbar auch handliche Pakete.
Damit der Postler, der mit dem Fahrrad unterwegs ist, auf seiner Strecke immer wieder Post "nachtanken" kann. Alles auf einmal bekommt er morgens nicht auf seinen Drahtesel. Verständlich. "Solche Taschen stehen in der ganzen Stadt", erklärte der Mann und zuckte mit den Schultern.
Jedenfalls, besagtes Paket war spurlos verschwunden. Wahrscheinlich gestohlen, vermutete er. In der Früh habe er es noch in den Taschen gesehen.
Schnell kam die Frage danach auf, wer den Verlust von mutmaßlich gestohlener Post eigentlich bezahlen muss. Die Versicherung? Wenn ja, welche? Oder gar die Kund:innen selbst?
Auf zur Recherche, die Geschichte liegt vor den Füßen
Was für eine feine Begebenheit - für eine spannende Geschichte reicht es, aus der eigenen Haustür hinauszuspähen und zack! - da ist sie schon.
Also führt der Weg einer Journalistin zur Presseabteilung der Österreichischen Post AG. Der Sprecher antwortete rasch und freundlich auf die Mail mit der Aussicht auf baldige Antwort, die er in die Hände einer Mitarbeiterin legte.
Konkret lauteten die Fragen zur Recherche:
Wie viele Meldungen über Diebstähle hat die Post 2022 bekommen? (Wenn die Zahlen noch nicht da sind, dann ersatzweise die von 2021).
Welche Art Post darf denn überhaupt so zwischengelagert werden?
Wie ist die Post bzw. vor allem auch der Absender da abgesichert – Versicherung bei Privatem, Rahmenverträge mit Großkunden wie Amazon?
#journalistinnenLeben: Die Pressestelle glänzt durch großes Schweigen
Was folgte, waren keine raschen und freundlichen Infos, sondern ausgedehntes Schweigen und Ghosten. Das wird freilich nicht akzeptiert; es folgen wiederholte Nachfragen per Mail und Telefon, bis eine knappe Antwort auf die erste Frage kam. Kurz: Nein, Zahlen gibt es nicht. Die Antworten auf Frage 2 und 3 blieb die Post schuldig. Also erneut nachfragen. Und noch einmal.
Gesamte Wartezeit, bis die Anfrage komplett beantwortet war: 18 Tage.
Wer hier eine systematische Benachteiligung freier Journalist:innen verortet, liegt wohl richtig. Denn ein Redakteur einer großen österreichischen Tageszeitung nahm sich des Themas an - und erhielt ganz selbstverständlich noch am selben Tag alle von ihm erbetenen Informationen von der Pressestelle der Österreichischen Post AG.
Sein lakonischer Kommentar: "Großes Medium > Freie"
Stimmt.
Wem auch schon mal Post geklaut wurde: "Selber verantwortlich"
Die Infos, die 18 Tage nach der ersten Anfrage zurückkamen, sollen den Leser:innen hier selbstverständlich nicht vorenthalten werden.
Denn die Post stellt zwar Briefe und Pakete (auch) auf den Gehsteig, sieht dann aber Kund:innen in der Pflicht, Diebstahl abzusichern.
"Auf Nachfrage beim zuständigen Fachbereich können wir Ihnen mitteilen, dass es sogenannte Depotstellen für die Bereithaltung von Sendungen (zum Beispiel Werbesendungen und dergleichen) gibt.
Bei diesen werden die Sendungen durch eigene Fahrer an die Zusteller*innen direkt übergeben oder in versperrbaren Kästen verwahrt. Keinesfalls werden Sendungen öffentlich zugänglich gelagert.
Dokumentationspflichtige bzw. erfassungspflichtige Sendungen unterliegen einer erhöhten Sorgfalt und werden immer durch die Zusteller*innen gesondert verwahrt.
Die Haftung hängt vom jeweils abgeschlossenem Transportvertrag ab. Allgemein können wir festhalten, dass es dem*der Absender*in obliegt, ein geeignetes Produkt auszuwählen."
Ok. Stimmt bloß nicht. "Vor der Haustür am Gehsteig" ist ein wunderbar zugänglicher Ort und das abhanden gekommene Paket war ganz offensichtlich nicht gesondert verwahrt. Nach der Anfrage hatten die Taschen zwar plötzlich (kleine) Vorhängeschlösser, Neugierige dürfte das nicht abhalten. Schon tags darauf lag das Schloss geknackt daneben.
Letztlich wälzt die Post die Verantwortung auf die werte Kundschaft ab (Dieser "obliegt, ein geeignetes Produkt auszuwählen".)
Und die schwarzen Taschen liegen bis heute beinahe jeden Tag gut gefüllt zwischen Türschwelle und Gehsteig. Griffbereit für alle, die zugreifen möchten.
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