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Michaela Hessenberger

Auf Urlaub? Nein, auf Pressereise!

Ein Sundowner in der Wüste Namibias sieht nicht nach Arbeit aus. Ist es aber. Ebenso wie der Blick vom Infinity-Pool hoch über dem Vierwaldstättersee in der Schweiz. Warum eine Pressereise bei all dem Luxus, den Reisejournalist:innen erleben dürfen, ein waches Auge erfordert - und warum das Notizbuch niemals in der Tasche bleiben sollte.


Eindrücke sammeln, Stimmungen aufnehmen, Zusammenhänge erkennen, Notizen machen, Menschen suchen, Interviews führen, Hotelzimmer inspizieren, Küchen bewerten, weitere Notizen machen, Fotos schießen, die eigenen Social-Media-Kanäle bedienen und noch mehr Notizen machen: Ruhige Minuten sind auf Pressereisen ausgeschlossen.



Warum eine Pressereise echt kein Urlaub ist


Mit einer Gruppe Unbekannter bricht die Reisejournalistin in ferne (oder auch gerne in benachbarte) Länder auf. Der Tag beginnt laut Programm - und nicht dann, wenn die Teilnehmer:innen vielleicht genügend geruht haben. Die Abende waren lang und voller Netzwerk-Gespräche? Egal. Koffer auspacken, Koffer einpacken, ab in den Bus. Oder Zug. Oder zum Interkontinentalflug.


Und daneben die Auftraggeber:innen zu Hause nicht vergessen. Dafür ist vor dem Frühstück, nach dem Abendessen und immer wieder zwischendurch, bei Transfers zum nächsten Ziel etwa, Raum. Telefon- und Videokonferenzen lassen sich einplanen - und leider nicht immer wie anvisiert einhalten. Vieles ist abhängig von Land, Gruppe, Recherchebedürfnissen, Reiseverlauf, Handyempfang, WLAN und anderen Gegebenheiten, die man schlichtweg nicht in der Hand hat. Ehrenwort, organisatorisch wird stets das Beste versucht, von allen Seiten.


Ruhe, Entspannung und Urlaubsstimmung auf Pressereisen? Fehlanzeige.

Dennoch ist der Job ein Traum.



#journaistinnenLeben - Interview mit Claudia Hilmbauer


Was passiert wirklich, wenn eine Gruppe Schreibender zur Recherche aufbricht? Ich habe sie in Wien getroffen - und nachgefragt. Immerhin hat Claudia x-mal mehr Pressereisen-Aufkleber auf ihrem Koffer, als ich. Profifrau eben.



Wie oft hörst du, dass eine Pressereise Urlaub sei?

Claudia: Immer (lacht).


Von Menschen, die viel Einblick in unseren Job haben - oder eher weniger?

Von zweiteren. Dann erkläre ich, dass meine Arbeit und die Tage unterwegs zwar Spaß machen. Doch ich suche mir nicht aus, wann und zu welcher Jahreszeit ich wegfahre, wohin ich reise, um welche Uhrzeit die Tage beginnen oder mit wem ich die Zeit verbringe. Stichwort Romantikhotel - mit der Pressegruppe.


Dazu kommt, dass während einer Pressereise die andere Arbeit zumindest teilweise Pause hat.

Wer auf einer Pressereise ist, muss natürlich auch an die anderen Auftraggeber daheim denken. Die wissen zwar, dass ich nicht den ganzen Tag vor meinem Laptop bin. Doch sie akzeptieren schwer, dass ich nicht ständig greifbar bin - und meinen Job muss ich klarerweise trotzdem machen. Ich erinnere mich gut an einen Morgen in Griechenland, als ich um fünf Uhr am Balkon saß und einen Artikel über Winter in Fieberbrunn schrieb, während die Wellen rauschten und die Sonne aufging, damit ich rechtzeitig um 8.30 Uhr beim gemeinsamen Frühstück sitzen kann.


Dein schönstes Erlebnis auf einer Pressereise?

Mit Sicherheit das erste Mal auf den Malediven mit Walhai-Schwimmen. Was war dein lustigstes Erlebnis?


Namibia und unsere Gaudi, die uns auch durch einen Patschen (Anm.: platten Reifen) irgendwo im Nirgendwo begleitet hat, ist nicht zu überbieten. Gerade war ich in der Schweiz mit einer tollen Frauen-Gruppe. Da hat allein die Stimmung das Erlebnis schon richtig, richtig toll gemacht. Das Eindrücke-Sammeln geht viel leichter, wenn wir uns gegenseitig unterstützen und pushen, damit alle mit tollen Bildern und Geschichten heimkommen. Zwischen ganz ernsten Gesprächen unter Kolleginnen ist echt der Schmäh g'rennt! Apropos lustig: Ich saß im Flieger zu einer anderen Pressereise und ich hatte wahnsinnig Hunger. Neben mir ein Papa mit Frau und Kind, er in Adiletten und Karo-Hemd. Zu essen gab es Nudeln und ich habe mich echt gefreut, weil ich Nudeln einfach mag. Also reiße ich auch das Schüsserl daneben mit weißer Soße auf und kippe es über die Pasta. In dem Moment bleibt die Stewardess neben mir stehen, schaut mich entgeistert an und sagt "Entschuldigen Sie, Sie haben sich gerade Vanillepudding über das Essen getan." Und ich so "Neeeeein..." Und die Dame brüllt hilfsbereit durch den Flieger "Haben wir noch Nudeln, 35C hat sich den Pudding auf die Nudeln gekippt." Der Adiletten-Typ neben mir schaut mich an, schüttelt den Kopf und sagt "Na, nicht so oft unterwegs, hm?".


Du erzählst, als könntest du ein Buch mit deinen Erlebnissen als Reisejournalistin füllen. Hast du ja auch.

Ich erlebe so viel, dass es tatsächlich für ein ganzes Buch gereicht hat. Es heißt "Vegetarisch mit Speck". Ein zweiter Teil ist nicht ausgeschlossen.


*


Claudia Hilmbauer ist Reisejournalistin, seit 2018 als Freelancerin. Ihr eigenes, hoch lässiges Luxus-Reise-und-Lifestyle-Medium ist der Chill Report. Kennengelernt haben wir uns 2018, am Flughafen München. Dort startete der Flieger nach Windhoek; die kommenden Tage sollten wir mit anderen Journalist:innen in Namibia verbringen. Uns erwarteten nicht nur Giraffen, endlose Natur und fantastisches Essen, sondern auch ein strikter Zeitplan und so gar kein Hauch von jenem Gerücht, das Afrika (zumindest nach unserer Erfahrung) zu Unrecht vorauseilt - nämlich dass die Menschen hier sich herzlich wenig um Uhrzeit und Pünktlichkeit kümmern. Im Gegenteil. Das spürten wir, als der Wecker nach einer Nacht mit allerbester Sicht auf die Milchstraße um 4.30 Uhr ratterte. Ab zur nächsten Location, die Schönheiten des Landes warten nicht.


Ihr Buch "Vegetarisch mit Speck - Geschichten aus dem Leben einer Reisejournalistin" ist

a. extrem lesenswert und

b. richtig lustig und


* entweder für 19 Euro im Lieblingsbuchladen euer Wahl (ISBN 978-3-200-06467-6) - oooder für 190 Chilling in der Chill Lounge des Chill Report. Wie bitte? Einfach registrieren, klicken, Chillings sammeln und eintauschen!




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