Elisabeth Kalhammer beschreibt ihren ersten Chef als "armseliges Mandl". Sein Name? Adolf Hitler. Erinnerungen an ein Interview, das Wellen schlug.
Noch nie waren Journalist:innen bei Elisabeth Kalhammer daheim. Noch nie hat sie einer Journalistin Kaffee gemacht und ihr dann ihre Geschichte erzählt. Bis ich 2014 an ihrem Küchentisch sitzen durfte. Das Dokumentationsarchiv am Obersalzberg kannte ihre Geschichte nicht und auch in Salzburg war nicht bekannt, was die gebürtige Oberösterreicherin in jungen Jahren in Berchtesgaden erlebt hat.
Wie alles begann - und endete - hat sie mir 2014 für die Salzburger Nachrichten erzählt. Exklusiv, offen, ausführlich und mit vielen Erinnerungen an einen Mann, der heute ebenso abstößt wie fasziniert.
Eine nette Seite von Adolf Hitler als journalistischer Höhepunkt?
Dass Adolf Hitler beim Essen strikter Vegetarier war und sich auch bei den Portionsgrößen keine Ausnahmen gönnte, wusste Elisabeth Kalhammer bei dem Interview noch allzu gut. Sie berichtete mir, wie er sich nachts in die Küche schlich. Dort musste ein Blech Kuchen bereit stehen, mit ordentlich aufgereihten Apfelstücken. Davon nahm er sich, wenn er sich unbeobachtet fühlte.
Dieser Wesenszug hatte natürlich das Zeug zur Schlagzeile für andere Medien. Ob es mich ehrt, eine nette, total menschliche Seite an einem Menschen wie Adolf Hitler hervorgekramt zu haben? Nein.
Jedenfalls: Kalhammers Blick - sie war 2014 gerade 89 Jahre alt - ging in die Ferne, als sie an das nahende Kriegsende dachte und berichtete, dass Hitler gebeugt vor dem Berghof stand, viel mehr "armseliges Mandl" als gewaltiger Diktator. Erfreut zeigte sie sich darüber, dass sie ihm kein einziges Mal die Hand geben musste, während sie bei ihm und für ihn und Eva Braun arbeitete.
Beide meiner Artikel - Teil 1 "Im Dienst des Diktators: Adolf Hitlers Hausmädchen" sowie Teil 2 unter dem Titel "Hitlers Stubenmädchen: Seltene Blicke auf den Diktator" - wurden weltweit zitiert. Der Spiegel, El Mundo, die Washington Post, ... über unser Interview war quasi überall etwas zu lesen.
#journalistinnenLeben: Diesen Erfolg verdanke ich meinem Netzwerk
Wie findet man Hitlers unentdecktes Stubenmädchen und wie überzeugt man sie davon, ein allererstes Interview (noch dazu vor laufender Kamera) mit 89 Jahren zu geben?
Ein lieber Bekannter aus meinem früheren Job bei der Salzburger Kirchenzeitung hat mir von Elisabeth Kalhammer berichtet. "Kennst du die Frau da vorne?", hat er mich gefragt, als wir uns nach einem Interview gerade trennen wollten. Nach meinem Kopfschütteln sagte er: "Sie war Stubnmadl beim Hitler!"
Weil die beiden sich über die Kirche gut kannten, legte er mir den Kontakt zu Frau Kalhammer. So kam ich an ihren Küchentisch und zu unserem viel zitierten Interview.
Learning? Netzwerken ist alles.
Im unteren Bild gab es 2016 ein Wiedersehen mit Elisabeth Kalhammer, während eine israelische Journalistin bei ihr zu Besuch war.
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